Die Europäische Armee – Pro & Kontra einer alten Idee

Dieser Artikel entstand auf Basis der Diskussion, die die Jusos Bremen-Stadt auf ihrer Mitgliederversammlung vom 1. Juni zum Thema »Europäische Armee« geführt haben. Dieser Artikel fasst die Pro- und Kontra-Positionen noch einmal zusammen und stellt sie einander gegenüber.

Pro (von Tim Gust)

Die Idee einer gemeinsamen Armee der EU-Staaten ist beinahe so alt wie die Europäische Union selbst. In den letzten Monaten hat die Vision wieder neuen Auftrieb gewonnen. Kann sie vielleicht sogar der Schlüssel zur Einigung sein?

Das vergangene Jahrhundert zeigte mit zwei Weltkriegen eindrucksvoll auf, welch furchtbaren Folgen ein blinder Nationalismus für Millionen von Menschen haben kann. Nicht umsonst war es das oberste Ziel der Gründerväter und -mütter der Europäischen Union, dass die europäischen Staaten nie wieder gegeneinander Krieg führen sollten.

60 Jahre danach können wir stolz darauf sein, dass wir Europäer dieses Ziel erreicht haben. Die Staaten der Europäischen Union sind heute wirtschaftlich so eng verwoben, dass militärische Konflikte nahezu ausgeschlossen sind. Eine gemeinsame europäische Armee würde die nationalen Streitkräfte endgültig überflüssig machen und so dafür sorgen, dass ein EU-interner militärischer Konflikt unmöglich ist. Darüber hinaus würde eine EU-Armee die Mitgliedsstaaten eine Menge Geld sparen: Denn gemeinsam könnten Ressourcen besser genutzt werden.

Mit einer eigenen Armee würde Europa auch auf der weltpolitischen Bühne mehr Gewicht bekommen. Auf unseren einstigen Verbündeten, die USA, ist in der heutigen Zeit kein Verlass mehr. Wir müssen uns als Europäer endlich unabhängig positionieren und für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte selbst lautstark eintreten. Ein starkes Europa, das theoretisch seinen Interessen auch mit militärischer Macht durchzusetzen vermag, kann mehr bewegen: Denn wenn wir mit einer Stimme sprechen, können wir als neutrales Glied zwischen zwei Konfliktparteien, zum Beispiel den USA und Russland, eintreten und versuchen, Eskalationen zu verhindern. Dabei müssen wir aber unseren bisherigen Handelsweise treu bleiben und so lange wie möglich versuchen, eine diplomatische Lösung zu erzielen. Eine eigene Armee würde uns außerdem die Möglichkeit geben, Hilfsprojekte der EU in Krisenregionen zu schützen und so den Menschen vor Ort ein Leben in Frieden zu ermöglichen.

Trotz aller Vorteile, die eine EU-Armee uns bieten würde, sollten wir zunächst die Konstruktionsfehler der EU und der Eurozone korrigieren, bevor wir uns an die nächsten großen Projekte machen. Nur wenn wir uns alle darüber einig sind, für welche Werte Europa steht, kann das gelingen. Dafür müssen wir Europäer aber in jedem Fall enger zusammenrücken: Wenn wir auch in Zukunft in Frieden und Freiheit leben wollen, dann müssen wir in Europa alle zusammen, Hand in Hand, agieren. Das Ziel, eine europäische Armee zu schaffen, welche von einem demokratisch legitimierten Parlament kontrolliert wird und in der Europäer für die gleichen Werte einstehen, kann dabei helfen.

Kontra (von Paul Ditter)

Den Vorteilen einer europäischen Armee stehen selbstverständlich auch Nachteile gegenüber. Jedoch können einzelne Aspekte, je nach Perspektive, sowohl als Vorteil, als auch als Nachteil gesehen werden. Ich werde nun aus meiner Sicht die Nachteile aufführen.

Ein Nachteil ist, dass die staatliche Souveränität der Mitgliedsstaaten, durch den Wegfall der Wehrkompetenz, wesentlich eingeschränkt würde. Zwar ist die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU im Sinne der europäischen Integration fast immer zu befürworten, doch wäre es auf Grund der aktuellen politischen Stimmung kontraproduktiv. Die sowieso schon starken rechtspopulistischen Kräfte könnten weiter gestärkt werden was nicht im Sinne von uns Jusos liegt. Auch die Frage nach der Verteilung der Kosten und die daraus wahrscheinlich resultierenden Streitigkeiten könnten zu einem Erstarken nationalistischer Kräfte führen.

Ein Weiterer Nachteil wäre die Sprachbarriere die die Kommunikation, welche unabdingbar ist, erschweren würde. Zwar ist die Mehrheit der Europäer*innen in der Lage Englisch zu sprechen, doch gibt es immer noch Staaten die ihren Fokus auf andere Sprachen legen. Ein wesentliches Problem könnte die Identifikation der Soldat*innen mit der Armee sein. Sollten die Soldat*innen sich nicht als Europäer*innen sehen, so wäre es eventuell schwierig diese zu Einsätzen zu bewegen welche nicht in ihrem Land stattfinden.

Auch die Veränderung der Verwaltungs- und Hierarchiestrukturen könnte ein Nachteil sein, da Arbeitsplätze in den einzelnen Staaten wegfallen würden. Zwar würden neue Arbeitsplätze entstehen, doch in geringerer Zahl und mit anderen Qualifikationsanforderungen. Auch die Frage nach einer gerechten Hierarchiestruktur könnte zu viel Streit führen.

Abschließend kann man sagen, dass die meisten Nachteile aus der aktuellen politischen Stimmung resultieren. Gäbe es den Wunsch zu mehr europäischer Integration, so wäre das Vorhaben einer europäischen Armee mit deutlich weniger Nachteilen behaftet.

Ein Kommentar zu "Die Europäische Armee – Pro & Kontra einer alten Idee"

  1. Was die europäische Integration betrifft sollte man wahrscheinlich erst einmal einen EU-Militärbündnis gründen wo EU-weite militärseinsätze gemeinsam durchgeführt werden. Wenn das bis zu 5 jahren gut geht kann man die Diskussion zu einer EU-Armee viel besser anfachen, denn man hat ja ein grundkonzept/Pilotprojekt durchgeführt.

    Ähnlich wie mit einer EU-Föderation braucht es erst einmal ein reales proof of concept bevor die leute gewillt sind über diesen schritt ernsthaft nachzudenken.

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