Resolution zur Lage der Partei und #SPDerneuern

Dieser Beschluss wurde auf der Landesmitgliederversammlung 2018.1 vom 24.3.2018 in Bremen-Stadt gefasst.

Beschlusstext

Resolution zur Lage der Partei und #SPDerneuern

Das Bild, das die Partei momentan abgibt, ist desaströs. Der Streit um Posten und Personal und der stellenweise schwierige Umgang in der Debatte um die GroKo sind dabei nur die aktuellsten Symptome. Ein vernichtendes Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl, der Verlust der Hälfte der Wähler*innen und eines großen Teils der Mitglieder seit 1998 und eine Parteiführung, die eine zutiefst verunsicherte Partei mehr treibt als sie zu anzuführen, sind weitere.
Wir stellen fest: Mittlerweile geht es um nicht weniger als um die Frage, ob es die SPD in wenigen Jahren überhaupt noch geben wird. Wer diese Analyse für zu pessimistisch hält, dem empfehlen sei ein Blick in die Niederlande oder nach Frankreich empfohlen, wo unsere jeweiligen Schwesterparteien bei den letzten Wahlen zu unbedeutenden Kleinstparteien degradiert wurden.

Die Forderung nach »Erneuerung«, wie sie bisher nach jeder Wahlniederlage der letzten Jahre aufkam, muss jetzt endlich mehr werden als eine hohle Phrase!
Der Fokus unserer Idee einer Parteierneuerung liegt dabei selbstverständlich auf den Inhalten, denn sämtliche der letzten Bundestagswahlen seit 1998 (bis auf 2013) hat die SPD mit einem schlechteren Ergebnis als die vorherige abgeschlossen. Die Fehler können nicht nur organisatorischer Natur gewesen sein. Vielmehr ist es so, dass die SPD sich nie vom inhaltlichen Schwenk der Schröder-Ära erholt hat. Der angebliche »Dritte Weg«, der die Sozialdemokratie fit für die Zukunft machen und den Staat modernisieren sollte, hat sich als neoliberales Schreckgespenst entpuppt, das nicht nur staatliche Strukturen nachhaltig geschwächt hat, sondern auch die SPD dauerhaft von großen Teilen ihrer einstigen Wähler- und Mitgliederschaft entfremdet hat.

Das Ende der 90er Jahre angenommene Dogma, man müsse sich an die Globalisierung anpassen, eine marktkonforme Demokratie schaffen und nur Schadensbegrenzung betreiben, ist keine moderne Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit. Denn die Probleme sind offensichtlich: Klimawandel, Krieg im Nahen Osten, ein neues Aufflammen des Kalten Krieges zwischen Ost und West, der Aufstieg von Egomanen wie Donald Trump, immer weiter zunehmende Ungleichheit – die Liste ließe sich beliebig weiter fortsetzen. Es will aber niemand von uns hören, wie schlimm die Welt geworden ist, das kann nämlich jede*r selbst sehen. Die Menschen wollen auch nicht hören, was alles nicht geht, weil angebliche Sachzwänge dagegen sprechen. Einem Gefühl der Machtlosigkeit und des Kontrollverlustes, das Parteien wie die AfD bisher mustergültig ausnutzen, können wir nur eins entgegensetzen: Ein Zukunftsprogramm mit konkreten Antworten!

Hören wir doch endlich auf, künstliche Armut klein- und die Beschäftigungszahlen hochzurechnen. Schaffen wir stattdessen lieber Arbeit, die Sinn stiftet und von der man eine Familie ernähren kann! Drängen wir prekäre Beschäftigungsverhältnisse dahin, wo sie hingehören: In den Mülleimer der Geschichte!
Hören wir auf, Themen wie den Klimawandel zu ignorieren! Die notwendigen Maßnahmen sind seit langem klar: Wir müssen aus der Kohleenergie raus. Wir brauchen weniger Autos mit Verbrennungsmotor – ob Benziner oder Diesel. All das wird unmittelbare Folgen für zahlreiche Menschen haben, aber diesen Personen ist nur geholfen, wenn wir konkrete Programme für sie auflegen und nicht, indem wir die Probleme ignorieren!
Hören wir doch auf, über die Kompliziertheit von Steuermodellen zu reden – das kann niemand mehr hören! Wer gesellschaftliche Ungleichheit bekämpfen will, muss dafür die Erbschaftssteuer erhöhen, der muss den Spitzensteuersatz anheben und eine Vermögenssteuer einführen! Wer Steuergerechtigkeit in Europa will, der muss ein einheitliches Steuersystem schaffen, das auch Konzerne wie IKEA zum Zahlen verpflichtet! Wer die Exzesse der Finanzindustrie eindämmen will, muss eine europäische Finanztransaktionssteuer einführen!
Wir möchten der SPD wieder ins Gedächtnis rufen, die Verhältnisse unserer heutigen Welt sind nicht naturgegeben, sie sind von Menschen gemacht! Und sie können auch von Menschen verändert werden!
Das bedeutet aber für uns auch, dass wir weder eine Erneuerung der Partei im klassischen Sinne brauchen, noch eine reine Rückbesinnung auf »alte« Werte. Was die Menschen brauchen ist eine SPD, die eine System-Alternative aufzeigt und klar macht, wie diese erreicht werden kann und dabei auch auf neue Probleme eine Antwort findet.

Die SPD ist so wichtig wie selten zuvor! Mit der Digitalisierung stehen große Umbrüche, nicht nur in der Arbeitswelt, an. Die Arbeitswelt von morgen so zu gestalten, dass prekäre Jobs wie Clickworking ausgeschlossen werden, dass Arbeitnehmerrechte auch in Zeiten von Homeoffice und Flexibilisierung gewahrt bleiben und dafür zu sorgen, dass alle Menschen vom Wandel profitieren und nicht nur ein paar besonders gut ausgebildete Programmierer*innen – welche Partei könnte dies mehr als die SPD? Linke Mehrheiten kann und wird es in Deutschland nur mit, aber niemals gegen die SPD geben! Aber alleine ist die SPD kaum noch politisch handlungsfähig. Das ist einerseits eine traurige Erkenntnis für die älteste sozialdemokratische Partei Europas. Andererseits kann hierin auch eine Chance liegen, sich mit anderen Gruppen und gesellschaftlichen Bündnissen zu vernetzen.

Mit der Partei in ihrem aktuellen Zustand wird es immer schwerer, Menschen dafür zu begeistern, ihre Stimme der SPD zu geben, geschweige denn, sich als Mitglied zu engagieren. In den vergangenen Jahren hat die Partei fast sämtliches Vertrauen bei den Wähler*innen verspielt und ein wichtigeres Kapital hat eine politische Partei kaum. Und auch der jetzige Parteivorstand geht diesen Weg ungestört weiter. Personalfragen werden auch gegen große Bedenken der Basis durchgesetzt und mit Posten versorgen sich vor allem die, die die Partei in den letzten Jahrzehnten an die Wand gefahren haben. Parteitagsbeschlüsse zu einem ausgeglichenen Verfahren beim Mitgliedervotum wurden vom Parteivorstand dreist missachtet. Wer das Vertrauen seiner eigenen Mitglieder systematisch zerstört, der wird auch bei den Wähler*innen kein Gehör finden! Die SPD muss mehr sein, als eine Funktionär*innenpartei!

Die SPD muss der Ort sein, an der gesellschaftliche Zukunftsfragen diskutiert werden. Die Partei darf niemals mit der Bundestagsfraktion gleichgestellt werden. Tagespolitik ist ein Mittel für den Zweck, eine bessere Gesellschaft für alle zu schaffen. Aber Reformen sind kein Zweck an sich! Die fast halbe Million SPD-Mitglieder repräsentieren die Partei nach außen, sind vor Ort vernetzt und haben ein Ohr für die Sorgen der Menschen. Die Partei lebt durch ihre Mitglieder und nicht durch Kompromisse in Berlin! Deshalb müssen die Diskussionen auch zurück in die Ortsvereine und Arbeitsgemeinschaften geholt werden! Nur so können wir wieder attraktiv für neue und alte Mitglieder werden! Die Parteibasis selbst muss die Erneuerung sein, die sie fordert! Deshalb sehen wir es als Aufgabe der Funktionär*innen diesen Prozess zwar zu begleiten, aber nicht an sich zu reißen.

Wir wollen die Partei ändern, denn sie braucht es dringend.
Und für uns steht fest: Die SPD muss anders sein, oder sie wird gar nicht mehr sein.

Beschluss als PDF

Ursprünglicher Antrag

Antragsverlauf

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