Bremen darf seine Studierenden nicht hängen lassen – Corona-Hilfen müssen ausgeweitet werden!

Sehr geehrte Senatorin für Wissenschaft und Häfen – liebe Claudia,
sehr geehrte Senatorinnen und Senatoren der freien Hansestadt Bremen,

mit diesem Brief senden wir als Jusos Bremen einen Hilferuf der Studierenden im Land Bremen. Die aktuelle Situation, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, trifft Bremen schwer. Der Senat und auch dein Ressort haben in dieser Krise viele richtige und wichtige Entscheidungen getroffen. Für viele Gruppen hat der Senat bereits Hilfspakete geschnürt und damit vielen Menschen durch die Krise geholfen. Auch für Studierende habt ihr, wie beispielsweise mit der Ausweitung des Hilfsfonds, bereits erste Schritte gemacht. Wir bitten dich, auch für die Studierenden im Land Bremen, hier nicht stehen zu bleiben. An der Universität und den Hochschulen liegt einiges im Argen, insbesondere drei Bereiche betreffen Studierende aktuell besonders: Die finanzielle Ungewissheit, die damit verknüpften sozialen Probleme und die sich abzeichnende Bedrohung für die  demokratischen Mitbestimmung in den Gremien der Hochschulen.

Studierende finanziell absichern!

Die Einkommenssituation der meisten Studierenden setzt sich insgesamt aus drei Säulen zusammen: Bundesausbildungsförderung (BAföG), Unterstützung der Eltern und Arbeitseinkommen neben dem Studium. Die zweite und dritte Säule dieser Finanzierung sind durch die aktuelle Krise akut bedroht und in vielen Fällen bereits ein- oder weggebrochen. Nach einer Erhebung des Studierendenwerks gehen über 70% der Bremer Studierenden einer Nebenbeschäftigung nach, um ihr Studium zu finanzieren. Viele dieser Jobs, bspw. in der Gastronomie, sind bereits weggefallen, in den meisten Fällen gibt es für sie auch kein Auffangnetz durch das Instrument der Kurzarbeit. Auch Elternunterhalt fällt für viele Studierende weg, wenn die Eltern selbst durch die Krise Ausfälle beim Einkommen erleiden.

BAföG muss ausgeweitet werden

Die Höhe und die Regelungen des BAföG liegt nicht in Bremens Hand, aber wir bitten dich, deinen Einfluss als Wissenschaftssenatorin geltend zu machen und den Druck auf Bildungsministerin Karliczek zu erhöhen. Allein im vergangen Jahr 2019 sind rund 900 Millionen Euro BAföG-Gelder nicht ausgezahlt worden. Diese Gelder müssen jetzt an die Studierenden gebracht werden! Der Senat sollte alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Empfänger*innenkreis des BAföG zu erweitern. Daneben fordern wir den Senat nachdrücklich auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Kriterien (Regelstudienzeit, Mindest-CPs oder Einkommensgrenzen) ausgesetzt und Notlage-Kriterien eingeführt werden. 

Keine Anrechnung des SoSe 2020 auf die Studienkonten

Ab dem ersten Semester läuft die Zeit auf den Studienkonten ab, das Land Bremen gesteht den Studierenden 14 Semester zu, in denen sie keine zusätzlichen Studiengebühren zahlen müssen. Das SoSe 2020 sollte nicht zu diesen Semestern gezählt werden, da für Studierende nicht die gleichen Möglichkeiten wie sonst bestehen. Viele (Labor-)Praktika entfallen oder Veranstaltungen finden schlichtweg nicht statt und trotz des großen Einsatzes vieler Dozierender kann das unter Zeitdruck zusammengestellte Online-Semester kein vollständiger Ersatz für eine erprobte Präsenzlehre sein. Das veränderte Angebot sollte nicht dazu führen, dass Studierende später von Langzeitstudiengebühren getroffen werden. Hierfür müssen die entsprechenden Regelung im Bremischen Hochschulgesetz schnellstmöglich angepasst werden.

Das bedeutet auch, dass für das SoSe 2020 und ggf. für das WiSe 20/21 keine Langzeitstudiengebühren erhoben werden! Bereits eingezogenen Langzeitstudiengebühren sollte die Uni zurückzahlen. Die ausfallenden Gelder sollten aus dem Landeshaushalt ersetzt werden.

Vertragsverlängerung für befristete Angestellte

Neben den unsicheren Beschäftigungsverhältnissen im privaten Sektor beschäftigen die Hochschulen im Land Bremen ca. 3000 Studentische Hilfskräfte (SHKs). Diese sind oft nur für einige Monate befristet an den Hochschulen angestellt. Die Hochschulen und das Land müssen sich ihrer Verantwortung gegenüber ihren Angestellten bewusst sein und deswegen bestehende Verträge bis mindestens bis zum Ende des SoSe 2020 verlängern, auch um die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht weiter zu verschärfen.

Soziale Verantwortung übernehmen!

Neben den finanziellen Sorgen und Ängsten verschärfen sich durch die Corona-Pandemie  ganz konkrete soziale Probleme. Die geschlossenen Mensen und das eingeschränkte sonstige Angebot des Studierendenwerks haben eine spürbare Lücke gerissen. Die Kontaktbeschränkungen setzen vielen Studierenden besonders in kleinen Wohnungen zu. Zur Abfederung dieser sozialen Härten und damit das Studierendenwerk seinen Sozialauftrag wieder erfüllen kann ist der Senat gefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. 

Studierendenwerk stärken – gute Beratungs- und Versorgungsangebote sicherstellen

In der Vergangenheit wurde bereits durch einen verstärkten Mitteleinsatz eine Ausweitung der Beratungsangebote, insbesondere in der Psychologischen Beratung für Studierende erreicht. Diesen Schritt möchten wir an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich begrüßen! Die Corona-Pandemie wird aber absehbar zu einer Zunahme von psychischen Belastungen bei Studierenden führen und auch der soziale Beratungsbedarf wird steigen. Die psychologischen und sozialen Beratungsstellen des Studierendenwerks müssen deshalb, wo nötig, dringend ausgebaut und personell aufgestockt werden. Neben den klassischen Beratungsangeboten sollte das Studierendenwerk zügig bei dem Ausbau der Online- und Videoberatung unterstützt werden. Neben personellen Ressourcen fehlen aber auch räumliche Kapazitäten. Wegen Fehlern in der Vergangenheit, ist heute nicht ausreichend Platz vorhanden, um bspw. die BAföG-Beratung in der Krise sicherstellen zu können. Hier sind kreative Lösungen gefragt, um den Studierenden durch die Krise zu helfen.

Auch die Entwicklung der finanziellen Lage des Studierendenwerks muss beobachtet werden. Durch fehlende Einnahmen aus dem Verkauf in der Cafeterien und Mensen droht ein Loch im Haushalt, welches zukünftig die Erfüllung des Sozialauftrages gefährden könnte. Das Land Bremen ist dabei gefordert, falls nötig, finanziell zuzupacken und dem Versorgungswerk der Studierenden den Rücken zu stärken. 

Studierende nicht auf die Straße setzten

Die angespannte Situation vieler Studierender wird stellenweise auch zu Zahlungsproblemen bei Wohnungsmieten führen. Wir bitten dich daher, den Studierenden zumindest in den öffentlichen Wohnungen des Studierendenwerks Sicherheit zu gewähren. Ziel muss es sein, für die Zeit der Pandemie und mindestens bis Ende des Semesters auf Kündigungen zu verzichten. Der Senat sollte eine Wohnheimplatz-Garantie bis Ende des Semesters auszusprechen, die Studierende nach ihrem Abschluss oder bei erreichen der Regelwohnzeit von 60 Monaten vor einem Verlust des Wohnheimplatzes schützt. Daneben sollte das Studierendenwerk aktiv auf die bei ihnen wohnenden Studierenden zu gehen und individuelle Gespräche über Mietminderungen und Zahlungsaufschübe führen. Die Zahlungsausfälle müssen dabei vom Land übernommen werden.

Neben den öffentlichen Wohnungen leben viele Studierende aber auch bei privaten Vermieter*innen. Auch für sie muss z. B. durch eine Öffnung des Wohngeldes schnelle und unbürokratische Hilfe geleistet werden.

Besondere Situation ausländischer Studierender beachten

Studierende, die zum Zweck des Studiums in Deutschland sind, fallen durch viele soziale Netze und stehen anderen Herausforderungen gegenüber. Der Senat muss für diese Gruppe passgenaue Hilfen erarbeiten oder bestehende Maßnahmen auf alle Studierende ausweiten. Auch sollten ausländische Studierende eine Arbeitserlaubnis erhalten, um sich selber unterstützen zu können. Uns ist klar, dass dazu viele Regelungen auf Bundesebene nötig sind. Auch hier bitten wir dich und den Senat euren Einfluss entsprechend zu nutzen!

(Hochschul-)Demokratie darf kein Corona-Opfer werden!

Die Hochschulautonomie lebt von ihrer demokratischen Verfasstheit. In diesem Sommersemester stehen turnusgemäß Wahlen zu den Gremien der Hochschulen (insbesondere der Universität Bremen) und der Studierendenschaft an, ebenso muss die Arbeit der bereits gewählten Gremien weiter laufen können. Dazu sind vom Senat wichtige Schritte zu unternehmen, um die demokratische Ordnung an den Hochschulen sicherzustellen. 

Demokratische Wahlen an den Hochschulen sicherstellen

Da ohne Präsenz-Semester auch nicht vor Ort gewählt werden kann, strebt die Universität ein Briefwahlverfahren an. Aus Kostengründen sollen dabei Studierende nur auf Antrag die Unterlagen zugesendet bekommen. Das halten wir für undemokratisch und bitten dich deshalb, mit der Universität und der Wahlleitung der Studierendenschaft ins Gespräch zu kommen. Ziel muss es sein, dass alle Studierende die Unterlagen unaufgefordert nach Hause gesendet bekommen und diese entgeltfrei wieder zurücksenden können! Demokratie muss allen ermöglichen barrierefrei an einer Wahl teilzunehmen.

Mitbestimmung in den Gremien sicherstellen

Die akademische Mitbestimmung der verschiedenen Statusgruppen wirkt auf verschiedenen Ebenen. Während der Akademische Senat an der Universität weiter online tagt, besteht zu befürchten, dass die einzelnen Fachbereiche und ihre Gremien verstärkt durch Eilentscheidungen der Dekan*innen gelenkt werden. Die Auswirkungen auf neue und laufende Verfahren bspw. bei Promotionen, Habilitationen und Berufungen sind bisher kaum abzuschätzen. Sollen diese Verfahren nicht ins Stocken geraten und weiter rechtssicher betrieben werden, müssen Universität und Senat sicherstellen, dass die Mitbestimmung aller Statusgruppen gewahrt bleibt.

Wir brauchen ein Solidarsemester 2020!

Die geschilderten Probleme und noch etliche weitere sind dringend und bedrücken viele Studierende tagtäglich. Wir bitten dich und den Senat, diese Problem anzugehen und euch auf die Seite der über 30.000 Studierenden im Land Bremen zu stellen. 

Die Studierendenschaft der Universität Bremen hat sich mit einem Beschluss des Studierendenrates dem Bündnis “Solidarsemester” angeschlossen, das viele dieser Forderungen aufgreift und auch das Bündnis für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte hat sich mit einem offenen Brief an den Senat gewandt. Wir sind uns sicher, dass du die geschilderten Probleme ernst nimmst und bitten dich und den ganzen Senat an ihrer Lösung zu arbeiten. Die Studierenden im Land zählen auf eure Solidarität, den solidarisch ist man nicht alleine!

In diesem Sinne: Solidarischen Grüßen,


Sebastian Schmugler
Landesvorsitzender

für die Jusos im Land Bremen

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