Awareness-Konzept der Jusos im Land Bremen

1. Einleitung (Was ist Awareness?)

Als Jusos zählen wir unseren Kampf für eine Welt ohne Unterdrückung zu unserer DNA. Wir sind ein feministischer Verband, engagieren uns gegen Rassismus und Antisemitismus und kämpfen für Queere Rechte. Wir stellen uns gegen jede Art von Sexismus, Homophobie, Ableismus, Trans- und Queerfeindlichkeit und alle andere Formen der Diskriminierung, Gewalt oder Mobbing. Dabei sind die Rollen klar verteilt: Wir die Guten – da drüben die Bösen. Oft verdrängen wir aber, dass unser Verband auch nur ein Teil unser Gesellschaft ist und strukturelle Probleme sich mit dem Engagement bei den Jusos nicht in Wohlgefallen auflösen.

Es ist von enormer Bedeutung, sich bewusst zu sein, dass auch unser Verband kein “Blinder Fleck” und kein befreiter Raum von Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten ist, und wir uns somit auch mit unseren innerverbandlichen Strukturen auseinandersetzen, sowie gegen Probleme ankämpfen müssen. Die Gleichberechtigung aller, die wir uns in der Welt wünschen und für die wir uns einsetzen muss also gleichzeitig auch in unserem Verband gelebt und verwirklicht werden. Uns ist es wichtig, dass stets gewährleistet wird, dass sich alle sicher fühlen können, wenn es darum geht sich bei uns einzubringen und seinen*ihren Beitrag zu leisten, ohne dafür diskriminiert, ausgegrenzt oder verurteilt zu werden. Um all das sicherstellen zu können, bedarf es einem rücksichtsvollen Handlungsbewusstsein aber auch kritischer Selbstreflektion.

Der Begriff „Awareness“ (engl. Bewusstsein) bezeichnet die (Selbst-)Reflektion einer Person oder Gruppe über ihre Umgebung, ihre Rolle darin sowie die sich daraus ergebenden gebotenen Handlungen. In diesem Sinne wollen wir uns Ungleichheiten bewusst machen, Diskriminierungen erkennen und ihnen entschlossen entgegentreten.

Mithilfe des Awareness-Konzepts soll ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie auch wir in unserem Verband Menschen ausgrenzen können – ohne es zu beabsichtigen. Zeitgleich soll es ein Leitfaden für uns sein, um zu lernen, wie wir mit Problemen umgehen und einen gerechten Umgang unter- und miteinander verwirklichen können. Mit dem Arbeitsprogramm 2020-2022 hat die Landesmitgliederversammlung dem Landesvorstand den Auftrag erteilt ein Awareness-Konzept vorzulegen. Wir betrachten das Verfahren und die Awareness-Arbeit mit diesem Papier nicht als beendet, sondern als fortlaufenden Prozess zu einer guten, rücksichtsvollen und solidarischen Zusammenarbeit in unserem Verband. Für uns gilt dies als verbindliches Konzept  für alle Organe der Jusos im Land Bremen und  soll gleichzeitig allen Genoss*innen für ihr Mitwirken und Handeln im Verband und darüber hinaus an die Hand gegeben werden.

2. Maßnahmen

Das Awareness-Konzept stellt einen Leitfaden für unseren Umgang miteinander, sowohl auf Veranstaltungen im Juso-Kontext als auch darüber hinaus, dar. So gilt dieser Verhaltenskodex nicht nur in Arbeitsgemeinschaften, auf Sitzungen, Seminaren, Klausurtagungen oder Versammlungen, sondern auch bei Diskussionen und Treffen in unserer Freizeit, bei gemeinsamen Kneipenabenden oder in Chatgruppen. 

Zusätzlich halten wir hier fest, welche Maßnahmen wir ergreifen, um einem Verhalten vorzubeugen, das diesem Konzept widerspricht.

2.1. Verhaltenskodex

In Diskussionen, auf Veranstaltungen oder in unserer Freizeit, möchten wir:

  • dass alle (insbesondere Frauen*) ihre Ideen und Meinungen gleichermaßen präsentieren können.
  • uns gegenseitig ausreden lassen.
  • uns möglichst differenziert äußern und verallgemeinernde und diskriminierende Aussagen über Einzelpersonen oder bestimmte Gruppen von Menschen unterlassen.
  • allen Personen einen Raum zu Sprechen geben. Dafür wollen wir uns insbesondere für (männlich) dominierendes Redeverhalten sensibilisieren, um es zu vermeiden.  
  • darauf achten, eine gendergerechte Sprache zu verwenden.
  • uns und unsere Ideen gegenseitig unterstützen.

Im Umgang miteinander:

  • möchten wir einen respektvollen und freundlichen Umgang pflegen,
  • achten wir auf eine Atmosphäre, in der sich alle wohlfühlen,
  • vermeiden wir ausschließende Gruppendynamiken und beziehen alle mit ein,
  • respektieren wir individuelle Grenzen und Entscheidungen,
  • unterlassen wir Belästigungen jeglicher Art,
  • und tolerieren keine Formen von körperlichen Übergriffe und Gewalt.

2.2. Maßnahmen der Juso-Organe und Mandats- und Funktionsträger*innen

Während unserer Arbeit im Verband nutzen wir verschiedene Mechanismen, um einen achtsamen Umgang miteinander zu fördern und diskriminierendes oder ausschließendes Verhalten zu vermeiden.

Gendergerechtigkeit

Es ist wichtig, dass wir eine gendergerechte Sprache nutzen. Durch sie schließen wir bei Diskussionen alle Menschen mit ein, egal welchem Geschlecht sie angehören. Dies gilt einerseits für die mündliche Kommunikation untereinander, bei der natürlich Fehler unterlaufen können, diese sollten aber nach Möglichkeit vermieden werden. Andererseits verwenden wir auch in schriftlichen Dokumenten ausschließlich die gendergerechte Sprache. Dies gilt sowohl für Anträge, Stellungnahmen und sonstige Dokumente, als auch in der Öffentlichkeitsarbeit auf unserer Homepage oder Social Media Kanälen. Anträge, die beispielsweise für Landesmitglieder- oder Jahreshauptversammlungen eingereicht werden, können nur in gendergerechter Sprache zur Abstimmung freigegeben werden. 

Bei größeren Veranstaltungen, wie Jahreshaupt- oder Landesmitgliederversammlungen, sowie bei Seminaren sind Gender-Plena ein fester Bestandteil der Tagesordnung. Dabei treffen sich alle sich weiblich gelesenen Personen und alle männlich gelesenen Personen (auf Wunsch wird auch ein Queer-Plenum geschaffen) am Anfang der Veranstaltung für ca. 30 Minuten in separierten Gruppen, um Grundregeln für das eigene Verhalten auf der jeweiligen Veranstaltung festzulegen und sich über mögliche Konfliktpunkte und Sorgen auszutauschen. Diese Plena dienen der Förderung des Zusammenhaltes sowie einer Schaffung von und Sensibilisierung für Awareness für jedes einzelne Mitglied am Anfang einer Veranstaltung. Um die Geschlechtergerechtigkeit zu wahren quotieren wir auf verschiedenen Ebenen. Erstens führen wir quotierte Redelisten. Dabei wird darauf geachtet, dass die Geschlechter möglichst abwechselnd zu Wort kommen. Zusätzlich werden Personen, die sogenannte “Erstredner*innen” in einer Diskussion sind, vor die Personen gezogen, die bereits Redebeiträge geleistet haben, um so allen die Beteiligung zu ermöglichen. Hierdurch soll (männlich) dominierendes Redeverhalten vermieden werden. Zweitens achten wir in unseren Teilnehmendenstrukturen auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Drittens achten wir bei der Vergabe von Mandaten auf eine angemessene Quotierung. Dies gilt sowohl für sämtliche Ämter innerhalb unseres Verbandes (bspw. Vorstandsmitglieder auf allen Ebenen), als auch für die Entsendung von Delegierten.

Inklusion

Wir wollen darauf achten, verständliche Sprache (sowohl schriftlich als auch mündlich) zu verwenden. Hierdurch sollen alle Mitglieder eingebunden werden können und für eine bestmögliche Inklusion gesorgt werden. Bei der Organisation von Veranstaltungen etc. sollen die Organisierenden besondere Bedürfnisse der Teilnehmenden abfragen und versuchen, angemessen auf diese einzugehen. Dies bezieht sich sowohl auf die Form der Einladungen und weiterer Dokumente, als auch auf die räumliche Ausgestaltung einer Veranstaltung.

Aufgaben im Verband

Die Juso-Mitglieder und insbesondere Mandats- und Funktionsträger*innen sorgen dafür, dass sie das Awareness Team in ihrer Arbeit unterstützen. Zusätzlich wird Bildungsarbeit in Bezug auf Awareness im Verband geleistet. Dies beinhaltet neben den genannten Mechanismen auch die Durchführung von regelmäßigen Seminaren zum Thema und die integration des Themas in andere Seminare und Veranstaltungen.

3. Das Awareness-Team

Um unserer Vision von Awareness und gelebtem Feminismus im Verband auch entsprechende Taten folgen zu lassen, wird mit dem Beschluss dieses Konzepts ein Awareness-Team gegründet und eine regelmäßige Evaluation zum Status Quo der Awareness-Arbeit im Verband eingeführt. Im Detail:

3.1 Selbstverständnis und Aufgaben

Das Selbstverständnis des Awareness-Teams ist, ein notwendiger Baustein der verbandsinternen Awareness-Arbeit zu sein und diese gleichzeitig kritisch zu begleiten.

Die wichtigste Aufgabe des Awareness-Teams ist, eine vertrauliche und niedrigschwellige Anlaufstelle zu sein für alle, denen eine Form von Ungleichbehandlung oder Unwohlsein in unserem Verband begegnet, ob in einer konkreten Situation oder in unseren Verbandsstrukturen. Es gibt keine „zu kleinen Probleme“, die nicht mit dem Awareness-Team besprochen werden können. Betroffene sollen die Möglichkeit haben, sich schnell und unkompliziert an dessen Mitglieder zu wenden. Sie hören zu, beraten und können im Konfliktfall unterstützend einschreiten. Gesprächsinhalte mit dem Awareness-Team sind streng vertraulich. Außerdem dürfen seine Mitglieder nur mit dem expliziten Einverständnis des*der Betroffenen über das Gespräch hinaus aktiv werden.

Eine weitere Aufgabe des Awareness-Teams ist, Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit zu leisten. Vielen ist gar nicht bewusst, wo Diskriminierung überhaupt anfängt und wie am besten reagiert werden sollte, sobald man Zeug*in oder Opfer von diskriminierendem Verhalten wird. Dafür stehen dem Awareness-Team unter anderem auf längeren Seminaren 30 Minuten in Form der Geschlechter-Plena zur Verfügung wie weiter oben näher ausgeführt. Durch diese Einbindung hat das Awareness-Team die Möglichkeit, die Genoss*innen zu informieren, auf sich hinzuweisen und als Ansprechpartner vor Ort nahbarer zu sein. Darüber hinaus hat das Awareness-Team die Aufgabe, die Umsetzung unserer Awareness-Arbeit, insbesondere die des Landesvorstands und die der Unterbezirksvorstände kritisch zu begleiten. Dazu berichtet es dem Landesvorstand halbjährlich von seiner Arbeit als Anlaufstelle (anonymisiert) und macht auf weiterhin bestehende Missstände aufmerksam. Das Awareness-Team kann dem Landesvorstand auch Vorschläge für eine bessere Awareness-Arbeit machen. Der Landesvorstand ist dazu angehalten, auf diese Berichte und eventuelle Vorschläge mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren und verpflichtet sich, in seinem Rechenschaftsbericht darauf einzugehen.

3.2 Zusammensetzung und strukturelle Einbettung

Das Awareness-Team besteht aus mindestens zwei, maximal drei Awareness-Beauftragten, hat eine einjährige Amtszeit und wird aus Mitgliedern der Jusos im Land Bremen gebildet. Es muss mindestens eine weiblich Beauftragte geben und maximal ein*e Beauftragte*r darf gewähltes oder kooptiertes Mitglied im Landesvorstand sein. Vom Amt der Awareness-Beauftragten ausgeschlossen sind amtierende Juso-Landesvorsitzende, Juso-Landesgeschäftsführende und Juso-Unterbezirksvorsitzende sowie amtierende Mitglieder des SPD-Landesvorstands und der SPD-Unterbezirksvorstände im Land Bremen. Die Awareness-Beauftragten werden von den Juso-Unterbezirken nominiert und auf einer Landesmitgliederversammlung bestätigt. Alle drei Bremer Unterbezirke – Bremen-Stadt, Bremen-Nord und Bremerhaven – haben das Recht, eine*n Beauftragte*n zu stellen. Sie werden in der Regel von den Unterbezirksvorständen vorgeschlagen und müssen auf den jeweiligen Mitgliederversammlungen der Unterbezirke von den stimmberechtigten Mitgliedern mit einfacher Mehrheit gewählt werden. Auf diesem Weg bestätigte Nominierungen sind anschließend an den Juso-Landesvorstand zu übermitteln, spätestens bis zur regulären Antragsfrist für die Landesmitgliederversammlung. Auf der jährlichen Landesmitgliederversammlung stellen sich die nominierten Awareness-Beauftragten den Mitgliedern vor. Sie gelten als von der Landesmitgliederversammlung in ihrer Funktion als neues Awareness-Team bestätigt, wenn bis zu einer vom Präsidium festgelegten und verkündeten Frist (idR die Frist für Initiativanträge) auf der Landesmitgliederversammlung kein zulässiges Veto gegen eine Nominierung eingegangen ist. Mit der Bestätigung beginnt ihre Amtszeit. Ein Veto kann von jedem stimmberechtigten Mitglied beim Präsidium eingelegt werden. Dieses berät und entscheidet unter Hinzuziehung von Landesvorsitz und Landesgeschäftsführung vertraulich über seine Zulässigkeit. Ein Veto ist nur dann zulässig, wenn glaubwürdig vorgebracht werden kann, dass eine der nominierten Personen aufgrund konkreter Erfahrungen mit dem/der Nominierten als Vertrauensperson im Sinne dieses Awareness-Konzepts ungeeignet ist. Ist das Veto zulässig, wird der*die Nominierte nicht als Awareness-Beauftragte bestätigt. Tritt nun der Fall ein, dass weniger als die geforderten zwei Personen das Awareness-Team stellen würden, bekommen die Teilnehmenden der LMV die Möglichkeit, sich oder andere als Awareness-Beauftragte vorzuschlagen. Über vorgeschlagene Personen wird dann einzeln und in geheimer Wahl abgestimmt. Die Person, die die meisten Stimmen erhält, wird Awareness-Beauftragte. 

Um das Team der Awareness-Beauftragten in seiner Arbeit zu entlasten, können auf Juso Veranstaltungen ad-hoc Awareness-Teams gebildet werden, die dieses unterstützen oder vertreten. Für die Anwesenheit eines Awareness-Teams sind die Organisatoren der Veranstaltung in Absprache mit den gewählten Awareness-Beauftragten verantwortlich. Wird ein solches ad-hoc Team gebildet, berichtet es im Anschluss an die Veranstaltung den Awareness-Beauftragten von eventuellen Vorkommnissen.

3.3 Sichtbarkeit und Erreichbarkeit

Das Awareness-Team ist sichtbar und immer ansprechbar. Auf der Website der Jusos Bremen wird über die gewählten Beauftragten und ihre Erreichbarkeit informiert. Hierfür wird eine Email-Adresse eingerichtet. Auf diesen Account haben nur die gewählten Awareness-Beauftragten Zugriff. Auf Veranstaltungen ab einer Länge von Halbtages Seminaren muss immer ein Awareness-Team anwesend sein. Dieses Team ist jederzeit ansprechbar und konsumiert in diesem Zeitraum wenn überhaupt, dann nur maßvoll Alkohol. Zu Beginn entsprechender Veranstaltungen wird zusätzlich eine Handynummer zur Verfügung gestellt, unter der das Awareness-Team über den gesamten Seminar-Zeitraum erreichbar ist.

Beitragsbild von Sushil Nash auf Unsplash.

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