Bremen braucht den Ausbildungsfonds

Wie ist die Lage auf dem Ausbildungsmarkt?

Seit vielen Jahren gibt es im Land Bremen einen Mangel an Ausbildungsplätzen. Viele interessierte junge Menschen bleiben deswegen ohne Ausbildungsplatz.

  • Auf 100 interessierte junge Menschen kamen 2022 nur 72 Ausbildungsplätze.
  • Im Jahr 2022 blieben mindestens 800 junge Menschen ohne Ausbildungsplatz, davon gingen mehr als 400 direkt in die Arbeitslosigkeit.
  • Durch die besondere Lage Bremens gibt es viele Menschen aus dem Umland, die in Bremen gerne eine Ausbildung beginnen wollen und so den Druck auf den Ausbildungsmarkt erhöhen.

Seit Jahren sinkt die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Nicht nur im Land Bremen, sondern bundesweit. Die Unternehmen bilden immer weniger aus.

  • Von 2008 bis heute sind 1.200 Ausbildungsplätze verloren gegangen.
  • Freiwillige Vereinbarung mit der Wirtschaft wie aktuell „Ausbildung: innovativ” haben ihre Ziele verfehlt und konnten nichts am Abwärtstrend ändern.
  • Die Ausbildungsquote (Verhältnis zwischen Beschäftigten und Auszubildenden) sinkt seit Jahren und lag 2021 bei nur 4,8%. Während die Zahl der Beschäftigten wächst, sinkt die Zahl der Azubis.
  • Die Zahl der Ausbildungsbetriebe geht zurück. 2021 bildete nur noch gut jeder fünfte Betrieb aus.

Die Lasten der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Ausbildung junger Menschen sind ungleich zwischen den Betrieben verteilt.

  • Fast ein Drittel der Großbetriebe beteiligt sich nicht an der Ausbildung junger Menschen (Anteil der Ausbildungsbetriebe in dieser Betriebsgrößenklasse bei 66,7 %).
  • Bei der Ausbildungsquote sieht es ähnlich aus: Die niedrigste Ausbildungsquote besitzen Großbetriebe, sie liegt bei weit unterdurchschnittlichen 3,9%. 
  • Die Stützen des dualen Systems sind kleinere und mittlere Unternehmen.

Unter dem Mangel an Ausbildungsplätzen leiden vor allem junge Menschen mit einem niedrigeren formalen Bildungsabschluss und Menschen mit Migrationshintergrund. 

Welche Probleme löst der Ausbildungsfonds?

Der Ausbildungsfonds unterstützt Ausbildungsbetriebe und nimmt dafür alle Betriebe in die Pflicht.

  • Alle Betriebe zahlen einen geringen Prozentsatz (ca. 0,3%) ihrer Bruttolohnsumme in den Fonds ein. 
  • Alle Betriebe erhalten pro beschäftigten Azubi einen Betrag (zwischen 1500 und 2500€) aus dem Fonds zurück. Betriebe, die viel ausbilden, gehen mit einem Plus aus der Rechnung, Betriebe, die nicht oder zu wenig ausbilden, mit einem Minus.
  • Zusätzlich werden mit dem Fonds Maßnahmen finanziert, die Betriebe dabei helfen, die Qualität ihrer Ausbildung zu verbessern und Auszubildende dabei unterstützen, ihre Ausbildung zu Ende zu führen.
  • Kleinbetriebe werden von der Einzahlung ausgenommen, können aber trotzdem Geld erhalten.

Das Engagement für Ausbildung wird durch die geschilderte Umlage der Ausbildungskosten nicht zum Marktnachteil für Ausbildungsbetriebe. 

  • Für ihren Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs werden sie belohnt.
  • Trittbrettfahrer, die andere ausbilden lassen und dann Fachkräfte abwerben, beteiligen sich an den Ausbildungskosten.

Unternehmen erhalten Anreize, auch jungen Menschen mit einem niedrigeren formalen Bildungsabschluss eine Ausbildung zu ermöglichen.

  • Auch wenn häufig betont wird, dass nicht alle Menschen Abitur machen müssen, werden Abiturienten bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen bevorzugt. Im Land Bremen wurden zuletzt 37,4% der neuen Ausbildungsverträge mit jungen Menschen mit Abi abgeschlossen.
  • Unternehmen erhalten zusätzliche Unterstützung durch aus dem Ausbildungsfonds finanzierten Maßnahmen, um diese jungen Menschen auszubilden.

Gibt es gute Gründe dagegen?

“Viele Betriebe würden ja gerne ausbilden, finden aber keine geeigneten Bewerber*innen. Sie werden jetzt trotzdem bestraft!”

Bremen hat kein Passungs- sondern ein Versorgungsproblem. Nach den Bewerbungsrunden bleiben mehr suchende Bewerber*innen ohne Ausbildungsplatz als unbesetzt gebliebene Ausbildungsstellen zurück. Dies lässt sich zum Teil darauf zurückführen, dass Angebot und Nachfrage nicht zusammenpassen. Andererseits ist dies auch ein Anzeichen dafür, dass viele Unternehmen ihre Ansprüche an die Bewerber*innen zu hoch ansetzen. Der Ausbildungsfonds hilft hier sowohl Bewerber*innen als auch Unternehmen, indem er die Anreize erhöht Bewerber*innen einzustellen und gleichzeitig Maßnahmen zur Unterstützung der Betriebe bereitstellt.

“Der Fonds ist ein Standortnachteil für Unternehmen im Land Bremen.”

Die Abgabe für den Ausbildungsfonds soll bei ca. 0,3% der Bruttolohnsumme liegen. Zum Vergleich: Der Beitragssatz für die Handelskammer liegt bei 0,29% des Gewerbeertrags. Kleinstunternehmen können sich von der Abgabe befreien lassen. Außerdem erhalten Unternehmen, je nachdem wie viel sie ausbilden, einen Betrag aus dem Fonds zurück. Hier von einer unzumutbaren Belastung zu sprechen, ist also gewagt. Dagegen spricht außerdem, dass ausreichend Fachkräfte am Ende einen Standortvorteil für das Land Bremen darstellt.

“Der Fonds bedeutet zu viel unnötige Bürokratie für die Unternehmen.”

Die Unternehmen müssen ihre Bruttolohnsumme melden und die Anzahl ihrer Azubis. Dann bekommen sie einen Bescheid und die Auszahlung des Geldes erfolgt automatisch. Das bedeutet ein bisschen mehr Bürokratie, aber keine außerordentliche Belastung.

“Anstatt Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, sollte das Land Bremen lieber dafür sorgen, dass die jungen Menschen, die die Schule verlassen, ausbildungsfähig sind.”

Es stimmt, die allgemeinbildenden Schulen in Bremen und Bremerhaven müssen besser werden, jungen Menschen die bestmögliche Bildung zu ermöglichen. So gelingt auch der Start in eine Ausbildung deutlich reibungsloser. Hier ist die Politik gefragt, doch im dualen Ausbildungssystem nehmen Unternehmen ebenfalls eine zentrale Rolle ein. Deswegen müssen sie ebenfalls ihrer Pflicht nachkommen, um jungen Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen und sie zu bilden – auch wenn dies nicht immer einfach ist. Die Verantwortung für ausreichend Fachkräfte und Bildungschancen nur in der Politik zu verantworten, greift zu kurz. Gefragt sind alle Akteure und der Ausbildungsfonds schafft verbindliche Strukturen.

Im Jahr 2022 blieben mindestens 800 junge Menschen ohne Ausbildungsplatz, davon gingen mehr als 400 direkt in die Arbeitslosigkeit. Diese Vielzahl an unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Fähigkeiten und Motivationen pauschal als “nicht ausbildungsfähig” zu verunglimpfen, lenkt nur von der Situation auf dem Ausbildungsmarkt ab.

Was muss noch getan werden?

Der Ausbildungsfonds wird keine Lösung für alle Probleme des Ausbildungssystem sein. Jedoch ist er ein zentrales Element, um die Qualität und das Angebot von Ausbildung im Land Bremen zu verbessern. 

Daneben sind weitere Maßnahmen erforderlich, die politisches Handeln erfordern: 

  • verbesserte Berufsorientierung in den Schulen
  • gute Allgemeinbildung an öffentlichen Schulen
  • Verbesserte Infrastruktur für Auszubildende (Wohnheime, soziale und psychische Beratung)
  • weniger Stress und Belastung in der Ausbildung
  • gut ausgestattete und überbetrieblich vernetzte Berufsschulen

Um die Krise auf dem Ausbildungsmarkt zu beenden, sind alle gefragt. Nur gemeinsam können wir die bestehenden Probleme lösen. Der Ausbildungsfonds schafft deswegen verbindliche Strukturen für die Unternehmen, die im dualen System eine besondere Verantwortung für die Ausbildung junger Menschen besitzen.

Mal wieder ein Bremer Sonderweg oder gibt es bereits funktionierende Beispiele für eine Ausbildungsumlage?

Ja, es gibt solche Systeme bereits auf tarifvertraglicher Ebene und diese Systeme werden auch erhalten bleiben. Unternehmensverbänden bleibt daher auch ein Ausweg aus dem allgemeinen Ausbildungsfond: Sie müssen einen Tarifvertrag mit einer eigenen Regelung aushandeln. Der Bremer Ausbildungsfond sichert die Untergrenze für ein System der Ausbildungsförderung – die Tarifparteien sind frei andere Mechanismen zu vereinbaren.

Eine Ausbildungsumlage gibt es z.B. im Baugewerbe (gut erklärt hier), bei Schornsteinfeger*innen (mehr dazu hier) oder für Pflegeberufe (mehr dazu hier).  

Wo kann ich mich noch informieren?

Zum Beispiel bei der Arbeitnehmerkammer.


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