Dieses Antrag wurde auf der Landesmitgliederversammlung der Jusos Land Bremen am 28. September 2024 beschlossen.
Beschlusstext
Jährlich wiederkehrende Hitzewellen, Überschwemmungen, wie die Katastrophe im Ahrtal oder Ernteausfälle wegen lang anhaltender Dürren: Die Klimakrise hat uns in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass sie sich nicht länger ignorieren lässt. Doch obwohl Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft seit Jahren überfällig sind, wurden Maßnahmen bislang massiv verschleppt und sind nun dringlicher denn je. Trotzdem wird Klimapolitik oft als Kostenfaktor wahrgenommen, denn der dringend nötige sozialpolitische Ausgleich wird zwar versprochen, aber selten umgesetzt – wie das Beispiel des Klimagelds zeigt. Ohne eine konsequente sozialpolitische Begleitung ist Klimapolitik jedoch nicht nur politisch kaum durchsetzbar, sondern birgt auch erheblichen sozialen Sprengstoff.
Neue Risiken durch Klimakrise und Klimapolitik
Die Klimakrise hat vielfältige direkte und indirekte Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Extreme Wetterereignisse und die daraus resultierenden Schäden bedrohen oft unmittelbar die Existenz der Betroffenen. Darüber hinaus haben klimapolitische Anpassungsmaßnahmen sowie gesellschaftliche und wirtschaftliche Reaktionen auf die Klimakrise – wie beispielsweise steigende Energiepreise – ebenfalls erhebliche finanzielle Konsequenzen für viele Menschen.
Einige der durch die Klimakrise oder die damit verbundenen Anpassungsmaßnahmen entstehenden Risiken werden bereits aufgefangen, etwa durch die Krankenversicherung bei neuen oder häufiger auftretenden Krankheiten und durch die Arbeitslosenversicherung bei Veränderungen des Arbeitsmarkts. Einkommenseinbußen, die aus Klimakrise und -politik resultieren, werden momentan nicht ausreichend aufgefangen. Dazu gehören notwendige Ausgaben zum Schutz vor Klimafolgen sowie Preissteigerungen, die durch marktwirtschaftliche Entwicklungen oder staatliche Klimamaßnahmen wie CO2-Steuern und Emissionshandel entstehen und vor allem Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen besonders belasten. Hier könnte eine neue Sozialversicherung sicherstellen, dass niemand aufgrund der direkten Folgen des Klimawandels oder erforderlicher Klimapolitik finanziell stark beeinträchtigt wird.
Warum eine Sozialversicherung?
Angesichts der bevorstehenden Umwälzungen brauchen wir jedoch eine umfassende Verknüpfung von Sozial- und Klimapolitik, die über isolierte Maßnahmen hinausgeht. Einzelne Maßnahmen, wie etwa das Klimageld oder die Subvention neuer Heizungen, reichen dafür nicht aus. Anknüpfen ließe sich stattdessen an das bewährte Modell der Sozialversicherung.
Die Vorteile der Sozialversicherung sind offensichtlich: Sie finanziert sich nicht durch Steuern, sondern durch die Beiträge der Versicherten, wodurch ein direkter Zusammenhang zwischen Beiträgen und Leistungen entsteht. Transferzahlungen erhalten einen einheitlichen institutionellen Rahmen und können durch Beratungs- und Präventionsarbeit sinnvoll ergänzt werden. Zudem ermöglichen sozial gestaffelte Ein- und Auszahlungen sozialen Ausgleich. Schließlich sind Sozialversicherungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts weitgehend eigenständig und – abgesehen von staatlichen Zuschüssen – unabhängig vom Bundeshaushalt.
Klimapolitik und Sozialpolitik aus einem Guss
Wir streben deshalb die Einführung einer Ökosozialversicherung als sechste Säule des deutschen Sozialversicherungssystems an. Diese Versicherung soll Einkommensverluste abdecken, die durch erhöhte Ausgaben für Klimaschutzmaßnahmen oder durch Schäden infolge von Extremwetterereignissen entstehen. Dabei wäre eine Staffelung der Beitragssätze nach regionalem Risiko und bedrohten Wohneigentum sinnvoll. Der Versicherungsfall tritt ein, wenn die finanziellen Belastungen sozial extrem ungleich verteilt oder nicht mehr tragbar sind. Um dies zu gewährleisten, müssen klare Indikatoren und Schwellenwerte definiert werden, die die Sozialversicherung im Rahmen ihrer Selbstverwaltung festlegt. Im Falle des Versicherungsfalls könnten sozial gestaffelte Ausgleichszahlungen erfolgen, um Einkommenseinbußen gezielt zu kompensieren. Ergänzt werden könnte dies durch Beratungs- und Präventionsangebote.
Die Finanzierung der Ökosozialversicherung sollte grundsätzlich von Erwerbstätigen und Unternehmen gemeinsam getragen werden. Dabei sollten die Beiträge der Erwerbstätigen einkommensabhängig gestaffelt sein. Für Unternehmen sollte eine Beitragsstaffelung nach CO2-Emissionen eingeführt werden, um zusätzliche Anreize zur Dekarbonisierung zu schaffen.