Dieser Antrag wurde auf der Landesmitgliederversammlung der Jusos Land Bremen am 20. September 2025 beschlossen.
Beschlusstext
Seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 ist die Lage für Frauen und queere Menschen in Afghanistan unerträglich geworden. Ihre Rechte wurden mit beispielloser Konsequenz beschnitten: Erwerbsarbeit ist fast vollständig verboten, Bildung bleibt Mädchen und Frauen über die Grundschule hinaus verwehrt, öffentliche Räume wie Parks sind ihnen untersagt, und schon das Verlassen des Hauses ist von Strafen bedroht. Aktivistinnen, die dagegen aufbegehren, werden verhaftet, verschleppt oder ermordet.
Die ehemalige afghanische Ministerin Seema Ghani beschreibt die Situation so: „Frauen und Mädchen in Afghanistan leben tagtäglich in Angst. Schon das Verlassen des Hauses ist für sie eine Tortur.“ Der Europäische Gerichtshof stellte bereits am 4. Oktober 2021 klar, dass bei afghanischen Frauen keine individuelle Prüfung der Fluchtgründe mehr notwendig ist, da die allgemeine Lage eine geschlechtsspezifische Verfolgung darstellt.
Deutschlands Verantwortung
Deutschland trägt für Afghanistan eine besondere Verantwortung. Als Gastgeber der Petersberg- Konferenz 2001 und durch zwei Jahrzehnte intensives Engagement im Aufbau von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Bildung und Frauenrechten hat die Bundesrepublik Hoffnungen geweckt, die nun von den Taliban zunichte gemacht werden. Es liegt daher in unserer Pflicht, bedrohten Frauen, Akademikerinnen, Studierenden, queeren und kranken Menschen Schutz zu gewähren. Statt entschlossen zu handeln, blockieren führende Unionspolitiker wie Alexander Dobrindt (CSU) Hilfen für afghanische Frauen. Er warnte davor, „neue Wege für massenhafte Einwanderung“ zu eröffnen. Diese Rhetorik verkennt die Realität: Es geht nicht um so genannte Massenmigration, sondern um gezielte, humanitäre Schutzmaßnahmen für akut bedrohte Menschen. Dobrindts Haltung ist nicht nur zynisch, sondern widerspricht auch den humanitären Verpflichtungen Deutschlands und unseren Grundwerten von Freiheit und Gleichberechtigung.
Wir Jusos fordern deswegen die Anpassung und bessere Koordinierung des Aufnahmeverfahrens für afghanische Frauen, aber auch queere und kranke Menschen:
1. Möglichkeit zur Visabeantragung in Nachbarstaaten Afghanistans und in der Türkei. Verbunden mit einem Ausbau der Kapazitäten in deutschen Botschaften für eine schnelle und effiziente Bearbeitung der Anträge.
2. Wiederaufnahme und Ausweitung des Bundesaufnahmeprogramms und die Genehmigung von Aufnahmeprogrammen auf Ebene der Bundesländer.
3. Gezielte Vermittlung in Arbeits- und Ausbildungsplätze in Verbindung mit einer systematische Sprachförderung für das Einstiegsniveau A2, sowie weitere (Grund)Bildungs- und Alphabetisierungsprogramme, die langfristig Selbstbestimmung und Teilhabe sichern.
Neben diesen grundsätzlichen Maßnahmen braucht es weitere gezielte Maßnahmen, die auf die Lebensrealität einzelner Gruppen zugeschnitten sind:
1. Akademikerinnen
Afghanische Akademikerinnen sind besonders gefährdet. Neben vereinfachten Aufnahmeverfahren müssten ihre Abschlüsse zügig anerkannt werden, um ihnen einen schnellen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ergänzend braucht es Mentoring- und bundesweite Förderprogramme, damit sie ihre berufliche Laufbahn in Deutschland fortsetzen und ihr Wissen einbringen können.
2. Studierende
Viele Studierende – insbesondere Frauen – wurden durch das Taliban-Regime brutal aus ihrem Bildungsweg gedrängt. Sie dürfen nicht um ihre Zukunft betrogen werden. Afghanische Studierende müssen unbürokratisch Visa erhalten, um ihr Studium in Deutschland fortzuführen und abzuschließen. Dazu braucht es eine finanzielle Absicherung durch staatlich geförderte Stipendien sowie eine umfassende Sprach- und Studienvorbereitung.
3. Queere Menschen
Queere Menschen sind in Afghanistan einer systematischen Verfolgung bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt. Viele leben versteckt und in permanenter Angst. Deutschland muss für sie sichere Zugangswege schaffen: vorrangige Aufnahme ins Bundesaufnahmeprogramm, erleichterte Visaerteilung sowie gezielte psychosoziale Unterstützung nach der Ankunft.
4. Kranke Menschen
Frauen und vulnerable Gruppen mit akuten oder chronischen Erkrankungen haben in Afghanistan kaum Überlebenschancen, da das Gesundheitssystem zusammengebrochen ist. Für sie braucht es einen schnellen Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland – nach Vorbild der UNHCR Resettlement-Programme. Neben der Akutversorgung müssen psychologische Hilfen bereitgestellt werden, um Traumata aufzuarbeiten und ihnen eine echte Perspektive zu eröffnen
