Dieser Antrag wurde auf der Landesmitgliederversammlung der Jusos Land Bremen am 20. September 2025 beschlossen.
Beschlusstext
Das vom Bundesministerium für Verteidigung eingeführte neue Wehrdienstmodell lehnen wir kategorisch ab. Dennoch dürfen im Zuge der aktuellen Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland nicht nur sicherheits- oder ordnungspolitische Aspekte im Vordergrund stehen – es braucht auch eine Auseinandersetzung mit den historischen und moralischen Dimensionen dieser Entscheidung. Für viele Nachkommen von Menschen, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft entrechtet, verfolgt, verschleppt und ermordet wurden – allen voran Jüdinnen und Juden, aber auch Sintizze und Romnja – ist die Vorstellung, zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet zu werden, nicht tragbar.
Die individuellen, sowie sozialen und kulturellen Folgen der Shoah wirken in den betroffenen Familien bis heute fort. Für viele Nachkommen ist ein staatlich verordneter Dienst in der Bundeswehr mehr als nur eine Pflicht – er bedeutet einen tiefen Eingriff in die persönliche und kollektive Erinnerung, in Identitäten, die durch Verfolgung und Trauma geprägt sind. Eine Wehrpflicht, die diesen historischen Kontext ignoriert, missachtet die Lebensrealität Betroffener und untergräbt die Verantwortung, die der deutsche Staat aus seiner Geschichte ableiten muss.
Daher muss sichergestellt werden, dass Nachkommen vom NS-Staat verfolgter Menschen nicht zur Ableistung eines Wehrdienstes gezwungen werden können. Deshalb fordern wir eine Einführung einer gesetzlichen Ausnahmeregelung für Nachkommen vom NS-Staat verfolgter Menschen von der Wehrpflicht. Personen, deren direkte Vorfahren nachweislich nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt waren, Entrechtung oder Vernichtung wurden, sollen auf Wunsch von der Musterung zum Wehrdienst in der Bundeswehr ausgenommen werden können.
Begründung:
Die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus ist kein abgeschlossenes Kapitel, sondern eine fortwährende Verpflichtung. Das gilt insbesondere in politischen und gesellschaftlichen Fragen. Die Shoah und die nationalsozialistischen Verbrechen wirken bis heute nach – in den Biografien, im kollektiven Gedächtnis und in den Erfahrungen der Nachkommen. Ein Zwangsdienst in der Armee eines Staates, der diese Verbrechen zu verantworten hat, kann für viele dieser Menschen einen unüberwindbaren moralischen Konflikt darstellen.
