Dieser Antrag wurde auf der Jahreshauptversammlung der Jusos Bremen-Stadt am 26. Februar 2022 und auf der Landesmitgliederversammlung 2022.1 der Jusos im Land Bremen am 27. März 2022 beschlossen.
Beschlusstext
Die Landesmitgliederversammlung der Jusos Land Bremen möge beschließen:
Der Parteitag der SPD Bremen-Stadt möge beschließen:
Die Jahreshauptversammlung der Jusos Bremen-Stadt möge beschließen:
Wir haben ein Problem
Wir setzen uns für ein inklusives Bildungssystem ein, das allen Kindern unabhängig von Geschlecht, familiären Hintergrund oder Handicap gerecht wird. Aber gerade an der Schnittstelle “Geschlecht, Einkommen, Sprache, Herkunft und Bildungsabschluss der Eltern” zeigt sich, wo unser Bildungssystem (nicht nur im Land Bremen) immer noch versagt. Jungen aus “bildungsinstitutionsfernen” und einkommensschwachen Haushalten, deren Hauptsprache nicht Deutsch ist, sind besonders davon bedroht, durch die Lücken unseres Bildungssystem zu fallen.
Dieser Zustand läuft unserem Ideal eines inklusiven Schulsystems und dem Ziel der Bildungsgerechtigkeit zuwider. Wenn wir es damit ernst meinen, müssen wir den Bedürfnissen aller Schüler:innengruppen gerecht werden. Das heißt, Ungleiches auch ungleich zu behandeln und gerade auf Mehrfachdiskriminierungen und -benachteiligungen adäquat zu reagieren.
Es gibt zu wenig Männer in Kitas und Schulen!
Bei näherer Betrachtung des Faktors Geschlecht zeigt sich, dass viele, auch 2022 noch sehr aktuelle Bilder von Männlichkeit sich besonders wenig mit dem vereinbaren lassen, was in der Schule erwartet wird (Fleiß, Ordentlichkeit, Stillsitzen etc.). Daraus erwächst der Wunsch nach Abgrenzung von der Schule, um Autonomie und Stärke zu zeigen. Man beweist sich als Junge indem man die Schule ablehnt, wodurch schlechtere Rahmenbedingungen schlechter kompensiert werden.
Gerade in Grundschulen – inzwischen jedoch auch an den weiterführenden Schulen – fehlt es an männlichen Vorbildern bzw. Lehrkräften, die ein differenziertes Bild von Männlichkeit vermitteln könnten. Ein Bild, das auch mit den Ansprüchen der Schule vereinbar ist. Stattdessen kommt es zu einer Zuwendung zu männlichen Rollenbildern, die vor allem aus den Medien gespeist werden. Ein Problem, das prinzipiell an allen Schulen besteht, was aber gerade in benachteiligten Stadtteilen nicht ausreichend kompensiert wird.
Dieses Problem lässt sich nur mit konkreten und verbindlichen Maßnahmen lösen!
Wir bekennen uns zum Ziel, den Anteil der absoluten Bildungsverlier:innen (also Menschen, die die Schule ohne Abschluss verlassen) in den nächsten Jahren mindestens zu halbieren. Dafür brauchen wir eine grundlegende Verbesserung der Lebensverhältnisse in besonders betroffenen Stadtteilen, um Problemlagen abzumildern und die Rahmenbedingungen der Schüler:innen zu verbessern. Dies lässt sich nur durch gezielte sozialpolitische Maßnahmen und eine linke Stadtentwicklung bewerkstelligen. In der Bildungspolitik benötigen wird darüber hinaus eine geschlechtersensible Herangehensweise: Unsere Schulen sollen ein diverses und modernes Bild von Männlichkeit vermitteln – mit genug Männern, die dieses Bild vorleben können. Realistische Bilder von Männlichkeit lassen sich nicht einfach über einen Bildungsplan vermitteln. Wir wollen einen höheren Anteil von männlichen Lehrkräften erreichen und darüber hinaus grundsätzlich mehr Diversität im Lehramt fördern.
Die Abwesenheit von männlichen Vorbildern im Bildungswesen und generell im gesamten Care-Bereich führt zu einem Teufelskreis, da die diese Berufe so erst recht als “Frauenberufe” gesehen werden. Diesen gilt es, durch gezielte Maßnahmen zu durchbrechen, um auch in diesem Bereich Geschlechtergerechtigkeit herzustellen.
Deshalb fordern wir:
- Gemeinsam mit den Schulen sollen diversitätsorientierte Steuerungsinstrumente (bezogen auf Geschlecht, Herkunft, Sprache etc.) für Personalentwicklung konzipiert werden, die insbesondere das Ziel eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnis berücksichtigen. Es sollen klare Diversitätsziele gesetzt werden, deren (Nicht)Erreichen nach einem vorher klar bestimmten Zeitraum geprüft wird. Die Gründe für das Nicht-Erreichen dieser Ziele müssen ausreichend evaluiert werden, um ggf. die Ziele anzupassen.
- Eine umfassende Kampagne, mit dem Ziel mehr Männer für Berufe im Bildungsbereich zu gewinnen. Insbesondere müssen neue Lehrer für Grundschulen gewonnen werden.
- Gerade bei der Zulassung zum Grundschullehramt müssen verstärkt nicht benotete Qualifikationen (z.B. Erfahrung bei der Betreuung von Kindern/Jugendlichen, Herkunft, Sprache etc.) berücksichtigt werden.
Dies soll begleitet werden durch geschlechtersensible Bildungsangebote, die die Unterschiede von Jungen und Mädchen anerkennen und mit diesen Unterschieden arbeiten.
Sehr beeindruckendes Werk!!
Und erfreulich, dass die Jahreshauptversammlung der Jusos dem zugestimmt hat. Wäre wirklich an der Zeit, dass bei diesem wichtigen Thema mehr Bewegung ins Spiel kommt!
Die im Text optimal identifizierten, »lobbylosen« Verlierer im Bildungssystem hätten es tatsächlich verdient.