Zwei Jahre Rot-Grün-Rot: Hat die Koalition das Land Bremen nur weiter verwaltet oder packt sie Probleme bei der Wurzel? Was wurde schon erreicht und was ist noch zu tun? Wir ziehen eine Halbzeitbilanz und stellen klar, was die Koalition im Land Bremen noch liefern muss. Diesen Beschluss haben wir am 1. August auf unserer Landesmitgliederversammlung gefasst.
Du willst wissen, was der Chef der bremischen Senatskanzlei Thomas Ehmke dazu sagt? Seine seine Halbzeitbilanz unter Pandemiebedingungen findest du über einen Klick auf den Button!
Du willst mit uns über unsere Halbzeitbilanz diskutieren und eigene Ideen einbringen? Am 27.10.2021 ab 15 Uhr machen wir ein Seminar im Bürgerhaus Weserterrassen! Mehr Informationen und Anmeldung via info@jusos-bremen.de!
Beschlusstext
Im Nachgang zur Wahl zur Bremischen Bürgerschaft im Mai 2019 begann die Mehrheitssuche der Parteien. Sie endete am 13. August 2019 mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen SPD, Grünen und Linkspartei. Auf 143 Seiten wurden die Ziele der Koalition festgehalten. Als Jusos waren wir damals an den Verhandlungen beteiligt und konnten erreichen, dass mehrere wichtige Projekte in die Liste der Vorhaben aufgenommen wurden. Nun ist die Hälfte der Legislatur vergangen und es ist an der Zeit, eine Halbzeitbilanz vorzunehmen.
Rot-Grün-Rot bringt Bremen sicher durch die Corona-Krise
Nicht mal ein Jahr nach Amtsantritt der neuen Landesregierung stand plötzlich die Welt und damit auch unser Bundesland Kopf. Die Corona-Pandemie stellte und stellt bis heute eine außergewöhnliche Herausforderung für die Politik da. Nach aktuellem Stand sind weltweit mindestens 4,13 Millionen Menschen im Zusammenhang mit Corona gestorben und auch Bremen hat mindestens 489 Todesfälle zu betrauern. Neben den Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit schafft und vertieft die Pandemie soziale Probleme. Arme Menschen infizieren sich und sterben häufiger als reiche. Zugleich steigt der Wohlstand einiger Weniger immer weiter, während der Anteil der Mehrheit am Gesamtvermögen gesunken ist.
All diese Probleme bestehen auch in Bremen, vielleicht sogar in einem besonders großen Ausmaß. Bereits vor der Pandemie waren die sozialen Probleme in Bremen besonders groß. Stand heute lässt sich trotzdem festhalten, dass Bremen mit Andreas Bovenschulte als Bürgermeister und dem rot-grün-roten Senat verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen ist – allen Widrigkeiten zum Trotz.
Corona hat bewiesen: Eine linke Regierung ist in einer Krise kein Wagnis, sondern eine sichere Bank. Die bremische Zusammenarbeit zwischen Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft läuft im Vergleich der Bundesländer sehr gut. Das ist einerseits bedingt durch die traditionell kurzen Wege und Leitungen, aber andererseits auch direkt der Arbeit der Landesregierung zuzuschreiben. Der Senat und die ihn stützenden Parteien und Fraktionen legen einen Fokus auf die sozialen Probleme in der Stadt und setzen der Verschärfung der Probleme auch verschärfte Mittel entgegen. Die durch Corona und die Gegenmaßnahmen auftretende wirtschaftlichen Probleme geht der Senat energisch an. Mit dem Bremen-Fond werden die nötigen Gelder für Investitionen bereitgestellt und kurzfristig große Summen mobilisiert. Es bewahrheitet sich der Juso-Grundsatz: Man kann gegen eine Krise nicht ansparen – nur Investitionen helfen, sie zu überwinden.
Den erfolgreichen Kurs der Coronapolitik gilt es jetzt durchzuhalten. Die Krise ist nicht vorbei – mit jeder Welle kommen dieselben Diskussionen erneut auf. Pauschale Schulschließungen bleiben das falsche Mittel, egal wie oft sie gefordert werden. Sie verstärken die Ungleichheiten. Schulen sind keine zentralen Treiber der Pandemie. Nach Zahlen der Kultusministerkonferenz ist Bremen das Bundesland mit den meisten Schulöffnungstagen und nach Zahlen des RKI das Bundesland mit den wenigsten Todesopfern – absolut und im Verhältnis zu den Einwohnern die zweit wenigsten. Die Impfkampagne muss weiter vorangebracht werden: Wir brauchen gezielte Impfaktionen dort, wo sich bisher nicht ausreichend Menschen haben impfen lassen und dort, wo dies bisher nicht ohne weiteres möglich war. Wichtiges Instrument dazu ist der Bremer Impfbus. Schulen, Berufsschulen, Hochschulen und Jugendzentren sollten verstärkt mit einbezogen werden. Für eine möglicherweise notwendige Auffrischungs-Kampagne muss Bremen an seinem Impfzentrum festhalten, der Neuaufbau dieser Infrastruktur würde im Fall der Fälle wertvolle Zeit kosten. Außerdem, sollten die Infektionszahlen wieder steigen, sollte der Senat über eine Wiederholung der kostenlosen Maskenverteilung nachdenken – zumindest für finanziell weniger leistungsfähige Menschen.
Rot-Grün-Rot bringt Bildung voran
Mit dem neuen Haushalt hat insbesondere die SPD klar gemacht: Bildung steht für uns an erster Stelle – jetzt auch im Haushalt. Der Bildungsetat konnte mit großen Kraftanstrengungen erneut gesteigert werden und ist jetzt der größte Einzelhaushalt. Als Jusos begrüßen wir diesen Schritt, denn Bildung ist der wichtigste Baustein im Abbau sozialer Ungleichheiten und Voraussetzung für die Teilhabe an unserer Gesellschaft.
Dabei beginnt Bildung und Bildungsgerechtigkeit mit der Kita. Die von den Jusos forcierte aufholende Entwicklung beim Kita-Ausbau schreitet voran. Insgesamt erhöht Bremen die Kitaplätze spürbar. Seit Beginn der Legislatur sind in Bremen 1.200 neue Kitaplätze geschaffen worden, 2.400 Plätze wird der Senat zeitnah schaffen. In Bremerhaven werden in dieser Legislatur zusätzlich 620 Kita-Plätze entstehen.
Spätestens ab der Schule bedeutet Bildung aber auch: Demokratie lernen und die eigene (Lern-)Umgebung mitgestalten. Wir begrüßen es deshalb ausdrücklich, dass Bremen mit der Reform des Schulverwaltungsgesetzes endlich mehr Mitbestimmung an den Schulen ermöglicht. Schulkonferenzen werden zukünftig drittelparitätisch mit Eltern, Lehrkräften und Schüler*innen besetzt. Dieser Weg der Demokratisierung der Schulen muss weitergegangen werde! Wir wollen, dass Schüler*innen in Bremen ihren eigenen Bildungsweg mehr mitgestalten können.
In der Corona-Pandemie hat sich außerdem gezeigt, dass Bremen bereits vorher richtige und zukunftsweisende Entscheidungen getroffen hatte. Im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern hat Bremen mit „It’s learning“ ein verbindliches Lernmanagement-System eingeführt. Bildung wird dadurch digitaler und effizienter. Mit der Ausstattung aller Schüler*innen und Lehrer*innen mit iPads wurde außerdem ein wichtiger Schritt zur Lernmittelfreiheit gegangen.
Im Bereich der Ausbildung sind wir in Bremen noch nicht da, wo wir als Jusos gerne wären. Die neue Vereinbarung „Ausbildung: innovativ“ als Nachfolge der „Bremer Vereinbarungen für Ausbildung und Fachkräftesicherung“ ist bei weitem nicht ausreichend. Auch wenn die Ziele gut sind, setzen die Unternehmen damit nur ihr Drückebergertum fort – unsere Antwort ist klar: Wir brauchen die Ausbildungsumlage und eine Untergrenze für den Azubi-Lohn. Beides steht im Koalitionsvertrag und wir erwarten eine Umsetzung durch das zuständige Wirtschaftsressort. Begrüßenswert sind nach längerer Hängepartie in unseren Augen die positiven Entwicklungen zu einem Azubi-Wohnheim.
Auf Druck von SPD und Jusos hat der Senat außerdem zahlreiche wichtige Vorhaben für Studierende und Hochschulen umgesetzt. Wir begrüßen, trotz der angespannten Haushaltslage das Bekenntnis zum (pandemiebedingt gestreckten) Wissenschaftsplans 2025. Gleichzeitig kritisieren wir, dass es immer noch keine Weiterentwicklung der Mitbestimmung an den Hochschulen im Sinne des Thüringer Modells gibt. Wichtige Schritte für einen breiteren Zugang zu den Hochschulen ist außerdem die weitere Absenkung des Verwaltungskostenbeitrags mit dem Ziel der vollständigen Abschaffung, der Wegfall der Langzeitstudiengebühren (Studienkonten) und die Neueinführung eines Stipendiums für bedürftige Studienanfänger*innen zur Aufnahme des Studiums. Die Entscheidung des Senats in Bezug auf einen Bahnhalt in der Nähe der Uni halten wir hingegen in der jetzigen Form für einen Fehler und eine vertane Chance für Bremen als Wissenschaftsstandort. Wichtig ist jetzt eine zügige Umsetzung und gute Anbindung an den Zentralbereich.
Rot-Grün-Rot schafft sichere Häfen
Bereits in der letzten Legislatur hatte sich Bremen zum Sicheren Hafen für geflüchtete Menschen erklärt. Die rot-grün-rote Landesregierung hat daran festgehalten und weitere Maßnahmen ergriffen um Bremen gegen asylfeindliche Politik aus Berlin und Brüssel in Stellung zu bringen. Zuletzt am 06.04.2021 hat Bremen beschlossen, im Rahmen eines Landesaufnahmeprogramms bis zu 100 Angehörige syrischer Geflüchteter aufzunehmen. Außerdem unterzeichnete Bremen eine Erklärung an den CSU-Innenminister Seehofer, um mehr Geflüchtete aufnehmen zu können. Als Jusos sehen wir hier aber auch noch Luft nach oben. Wir sagen: Bremen muss die aktuelle Klage gegen Seehofers Ablehnung von Landesaufnahmeprogrammen unterstützen. Auch auf zukünftige Regierungen muss der Druck aufrecht erhalten bleiben.
Bremen muss dafür sorgen, dass geflüchtete Menschen nach ihrer Ankunft hier auch menschenwürdig untergebracht werden! Wir begrüßen deshalb die bisherigen Bemühungen, geflüchtete Menschen dezentral über Kooperationen, zum Beispiel mit der Gewoba und der Wohnraumvermittlung der AWO, unterzubringen und fordern den weiteren Ausbau dieser Projekte. Die möglichst schnelle dezentrale Unterbringung geflüchteter Menschen nach ihrer Ankunft in Bremen ist unabdingbar für eine erfolgreiche Integration und der Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens.
Die Lage in der Landesaufnahmestelle Lindenstraße hat dazu geführt, dass am Anfang der Corona-Pandemie im März 2020, sich bereits über 30% der Bewohner*innen der LASt infiziert hatten, während die Infektionsrate in ganz Bremen noch bei unter einem Prozent lag. Im Mai stammten über ein Viertel aller bis dahin verzeichneten Corona-Fälle in Bremen-Stadt aus der LASt. Wir fordern die Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport auf, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in Bremen unter menschenwürdigen Bedingungen untergebracht werden. Auch sollte die Senatorin zukünftig mehr Wert auf die Aussagen der Bewohner*innen der LASt legen. Diese hatten schon zu Beginn der Pandemie davor gewarnt, dass u.A. die deckenseitig nicht abschließenden Trennwände und nicht öffenbaren Fenster in Teilen der LASt die Einhaltung der Hygieneregeln erschweren und die Verbreitung des Coronavirus beschleunigen würden. Inzwischen, fast fünf Jahre nach der Eröffnung der LASt, hat der Senat einen Umbau der betreffenden Gebäudeteile beschlossen.
Nebst menschenwürdiger Unterbringung ist auch die psychosoziale Betreuung ein wichtiger Teil der Versorgung geflüchteter Menschen im Land Bremen. Gerade für geflüchtete Menschen mit Mehrfachdiskriminierungserfahrungen, wie zum Beispiel queere Geflüchtete, sind mit Fachpersonal ausgestattete Beratungsstellen unerlässlich. Auch hier hat die Sozialsenatorin finanzielle Unterstützung versprochen. Nicht nur für die geflüchteten Menschen, sondern auch für die Träger und Mitarbeitenden der Beratungsstellen ist es unerlässlich, dass die Senatorin diesen Versprechungen jetzt auch nachkommt! Für uns Jusos gilt: Jede Person im Land Bremen hat das Recht auf eine menschenwürdige Behandlung und Unterbringung – das war und ist der Maßstab an dem wir die Bremer Geflüchtetenpolitik messen.
Rot-Grün-Rot macht Stadt und Wirtschaft nachhaltig und sozialer
Als Jusos bewerten wir die Klimapolitik des Senats als ausbaufähig. Während die Enquete-Kommission für Klimaschutz in der Bürgerschaft die Probleme weitläufig analysiert windet sich das zuständige Ressort in erste Linie um die Frage einer autofreien Innenstadt. Als Jusos wollen wir mehr sehen als eine testweise gesperrte Martini-Straße. Der Fokus im Bereich Verkehr muss deutlich mehr auf die nicht zentral liegenden Stadtteile gerichtet werden. Die SPD hat dafür u.ä. das Konzept eines Bremen-Ticket für kostenlosen Nahverkehr in Bremen vorgeschlagen, das wir als Jusos unterstützen. Begrüßenswert ist außerdem, dass mittlerweile ein Bremer Kohlekraftwerk vom Netz ist und für ein weiteres der Ausstiegstermin feststeht. Mit Blick auf das Stahlwerk begrüßen wir die Förderung zum Umstieg auf eine wasserstoffbasierte Stahlproduktion.
Insgesamt nimmt der Senat viel Geld in die Hand, um Unternehmen zu unterstützen und erwartet von ihnen zugleich soziales Agieren. Für uns Jusos führt dieser Weg auch insgesamt zu einer sozialeren Wirtschaft. Zentrales Element ist hier der Landesmindestlohn: Dieser wurde in dieser Legislatur auf 12 € pro Stunde erhöht – auch wenn die Wirkung nicht umfassend ist, so ist es doch ein wichtiger Schritt. Klar ist, dass eine gute Bezahlung nur mit einem gerechten bundesweiten Mindestlohn und starken Tariflöhnen erreicht werden kann.
Nicht erst innerhalb dieser Legislatur verändert sich vieles in Bremen. Die Stadt entwickelt sich teilweise rasant weiter – Industrie verschwindet und neue Quartiere entstehen. Dabei spielen nicht selten Großinvestoren eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung dieser neuen Quartiere. Wir sehen dies kritisch, denn auch wenn wir sehen, dass Bremen sich weiterentwickeln muss, darf der rot-rot-grüne Senat nicht passiv dabei zusehen. Statt Quartiere von Privatleuten mit zu viel Geld entwickeln zu lassen, wollen wir mehr öffentliche Beteiligung und mehr soziale Stadtentwicklung.
Unser Ausblick auf die zweite Hälfte der Legislatur
Senat, Fraktionen und Parteien haben bereits viel erreicht in der ersten Hälfte der rot-grün-roten Legislatur in Bremen. Wir haben aber auch gezeigt, dass noch viel Arbeit über ist. Corona hat den Fahrplan zur Umsetzung des Koalitionsvertrages stark verwirbelt, umso engagierter muss jetzt angepackt werden. Als Jusos werden wir die Arbeit in der rot-grün-roten Koalition weiter kritisch und solidarisch begleiten. Wir sagen: Keine halben Sachen! Der Koalitionsvertrag muss auch vollständig umgesetzt werden. Wir erwarten von allen beteiligten Parteien die Arbeit in der zweiten Hälfte der Legislatur ordentlich fortzusetzen. Spekulationen über mögliche Koalitionen nach der Wahl 2023 braucht niemand und haben in der Vergangenheit die bestehenden Regierungen stets beschädigt. Die Arbeit der ersten Hälfte muss jetzt fortgesetzt werden – mit Rot-Grün-Rot wird Bremen sozialer, nachhaltiger und bunter.
Die Halbzeit des Senats fällt aber auch in eine Zeit, in der wir alle auf die Bundestagswahl blicken. Die Frage muss gestellt werden: Ist eine rot-grün-rote Koalition ein Modell für den Bund? Als Jusos Bremen beantworten wir diese Frage klar mit Ja. Auch wenn bei der Wahl Parteien und keine Koalitionen zur Abstimmung stehen, müssen Wähler*innen wissen, welche Optionen Parteien präferieren. Wir fordern die Parteien deshalb auf Farbe zu bekennen. Unter allen realistischen Farbspielen ist, aus den Erfahrungen in Bremen, eine Koalition mit SPD, Grünen und Linken die richtige Wahl. Eine solche Koalition ist die einzige parlamentarische Machtoption der gesellschaftlichen Linken. Gerade deshalb bekämpfen Akteure aus allen politischen Parteien dieses Bündnis – teils offen, teils verdeckt. Sicherlich braucht es für eine gute Koalition jeder Farbkombination eine starke SPD – für uns Jusos ist ein gutes SPD-Ergebnis aber kein Selbstzweck. Nur eine starke, linke SPD in einem linken Bündnis ist Garant für eine soziale Politik und echte Veränderungen in diesem Land.