Dieses Antrag wurde auf der Landesmitgliederversammlung 2022.1 der Jusos im Land Bremen am 27. März 2022 beschlossen.
Beschlusstext
So wie jetzt kann es nicht weitergehen!
Wir stehen vor der Herausforderung eines weltweit steigenden Energie- und Ressourcenbedarfs bei gleichzeitig schrumpfenden Ressourcen und der Notwendigkeit einer nachhaltigen Produktion. Daraus erwächst, nicht nur aus Gründen des Klima- und Gesundheitsschutzes, die Notwendigkeit unsere Wirtschaftsweise umzugestalten. Wir können unsere Gebrauchsgüter nicht mehr auf dem Müll entsorgen – zu hoch sind die ökonomischen, sozialen und ökologischen Kosten. Wir benötigen neue Wege der Produktion, des Konsums und der sozialen Interaktion, die uns ermöglichen Produkte, Materialien und Ressourcen so lange wie möglich zu nutzen. Unser Ziel sind biologische und technische Kreisläufe in denen Materialien durch “Reuse”, “Repair” oder “Recycling” zirkulieren. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: Neben der Reduzierung von Treibhausgasemissionen schaffen wir so Ressourcen-Sicherheit durch weniger Import-Abhängigkeit und ökonomische Vorteile durch neue Wirtschaftsbereiche (und auch Arbeitsplätze) sowie Einsparungen durch Recycling.
Um Kreisläufe zu etablieren, müssen wir in verschiedenen Bereichen des Produktions- und Konsumprozess ansetzen. Beim Produkt-Design können wir durch die Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Kreislaufwirtschaft-kompatible Produkte einen starken Anreiz für besseres Design schaffen. Daneben braucht es klare Regelungen, die z.B. das Right-To-Repair in allen Bereichen durchsetzen. Bei der Produktionmüssen wir mit lokalen Akteuren zusammenarbeiten. Es gilt, lokale Kreisläufe durch die Vernetzung aller Stakeholder zu schließen – das Einbeziehen der Beschäftigten z.B. über Betriebsräte ist hier unerlässlich. Beim Konsum wollen wir durch Bildungsarbeit mehr Awareness für nachhaltige Produkte schaffen und Reuse/Repair mit Infrastruktur für alle unterstützen und ermöglichen. Schließlich müssen wir ebenfalls bei unserer Abfallentsorgung und -sammlung ansetzen und durch eine erweiterte Herstellerverantwortung auch Unternehmen in die Pflicht nehmen.
Die Stadt ist der ideale Ausgangspunkt für eine nachhaltige Wirtschaft
Städte vereinen den größten Teil des weltweiten Ressourcenverbrauchs und bieten deswegen durch ihre soziale und räumliche Struktur beste Voraussetzungen, um Kreisläufe zu schließen. Gerade im Bausektorbieten sich viele Möglichkeiten: Hier wollen wir auf modulare und flexible Bauweisen setzen, die einfach saniert oder gewartet werden können. Für den Neubau müssen vorrangig auf recycelte bzw. recycelbare Materialien (z.B. Holz) genutzt werden. Unser Ziel ist es Kreisläufe schon im Haus zu schließen, wozu wir auch die Energieerzeugung direkt am Haus fokussieren. Beim Abriss von Gebäuden müssen schließlich Rohstoffe zurückgewonnen und recycelt werden.
Im Mobilitätssektor können wir das Potential von Sharing-Angeboten nutzen. Wir verfolgen das Ideal von geteilten Fahrzeugen für alle Lebenslagen, die das eigene Auto ersetzen können. Dies muss mit einem gut ausgebauten und verlässlichen ÖPNV und einer grundlegenden Elektrifizierung der Mobilitätsangebote verbunden werden. Ein nachhaltiges Design der Fahrzeuge, das Recycling und Weiterverwendung der Bauteile ermöglicht, muss berücksichtigt werden.
Erneuerbare Energien sind Grundlage für eine nachhaltige Wirtschaft, auf die Stadt bezogen wollen wir mögliche lokale Potentiale ausnutzen, die eine Energieproduktion vor Ort ermöglichen. Dazu gehört zum Beispiel die Nutzung von Biomasse, aber auch die Kopplung verschiedener Sektoren zur Nutzung von Fernwärme. Bei der Produktion müssen wir die räumliche Nähe in der Stadt für eine lokale Produktion nutzen, die Input und Output verschiedenster Unternehmen aufeinander abstimmt.
Bremen hat in diesem Bereich noch viel Potential
Gerade Bremen als Industriestandort hat ein besonderes Verhältnis zu Ressourcen und kann hier mit entsprechenden Maßnahmen dazu beitragen, Kreisläufe zu schließen, Abfälle zu reduzieren und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. In Zeiten steigender Rohstoffpreise und unsicherer Lieferketten ist das Thema nicht nur ökologisch relevant, sondern auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherung. Trotzdem zeigt Bremen wenig Ambition, das Ressourcenthema für sich zu nutzen. Weder gibt es eine Kreislaufwirtschaftsstrategie noch Pilotprojekte, die als Vorbild für andere taugen könnten. Sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene ist noch viel Potential vorhanden für eine nachhaltige Form des Wirtschaftens. Wir wollen Bremen und Bremerhaven zu „circular cities“ umbauen und zu Leuchttürmen von Ressourceneffizienz machen – kommunal, wirtschaftlich und gesellschaftlich!
Deswegen fordern wir:
- Die Städte Bremen und Bremerhaven sollen regelmäßig eine detaillierte und umfassende Abfallbilanzherausgeben, aus der hervorgeht, wie einzelne Stoffströme sich in Bremen und Bremerhaven im Zeitverlauf entwickelt haben, wo diese gesammelt wurden und wie diese verwertet wurden.
- Städte und Land sollen beim öffentlichen Beschaffungswesen nur solche Produkte kaufen, die recycelt oder wieder recycelbar sind.
- Um Bauförderung in Anspruch zu nehmen, soll die Verwendung nachhaltiger Elemente (z.B. Holz oder recycelter Beton) vorausgesetzt werden.
- Bauprojekte, sollen besondere Förderung erhalten, wenn das Schließen von technischen und biologischen Kreisläufen in Häusern vor Ort ermöglicht wird.
- Das Land soll Vorgaben erarbeiten, die modulare und flexible Bauweisen, die einfach saniert oder gewartet werden können, zum Standard machen.
- Bremen soll ein Materialkataster einführen, das aufführt, welche Baustoffe wo verwendet wurden. Dies soll zunächst für Neubauprojekte gelten.
- Bestehende Infrastrukturen für Tauschen und Teilen wie z.B. das Schwarze Brett auf bremen.de sollen weiterentwickelt und ausgebaut werden.
- Das Land Bremen soll eine ambitionierte Kreislaufwirtschaftsstrategie auflegen, die diese Forderungen vereint und sie stetig weiterentwickelt.
Bremen braucht konkrete Modellprojekte
Um eine nachhaltige neue Wirtschaftsweise zu etablieren, darf diese nicht im abstrakten verbleiben. Wir wollen deswegen Modellprojekte schaffen, die Kreislaufwirtschaft für alle Menschen direkt vor Ort erfahrbar macht. Bremen kann dabei funktionierende Beispiele aus anderen Städten übernehmen oder auf bereits bestehenden Strukturen aufbauen.
Mehrwegsysteme etablieren
Kreisläufe zu schaffen, kann an ganz unterschiedlichen Stellen ansetzen und direkt sichtbare Erfolge produzieren. So ist es im Sommer ein stetiges Ärgernis, wenn am Osterdeich und im Viertel die Mülleimer von Essensverpackungen überquellen. Eine Lösung, die gleichzeitig Ressourcen schonen würde, wäre ein räumlich begrenztes Angebot für Mehrwegverpackungen. Ähnliche Lösungen werden bereits für andere Produkte (z.B. Kaffeebecher), an anderen Orten (z.B. Bremer Unimensa) oder in anderen Städten (z.B. Hamburg) erfolgreich umgesetzt. Die Erfahrungen aus Hamburg sind dabei so positiv ausgefallen, dass aktuell über ein generelles Mehrwegsystem für Essensverpackungen diskutiert wird. Die konkrete Umsetzung eines Mehrwegsystems im Viertel sollte mit den Gastronom*innen zusammen entwickelt werden. Dasselbe gilt für Details wie die Kostenverteilung, Anreize, Rücknahmeverpflichtungen oder die professionelle Reinigung der Verpackungen.
Für den Klimaschutz und die dafür erforderliche Reduktion der CO²-Emissionen ist es notwendig, auch Verpackungsmüll zu reduzieren. Insbesondere Plastikmüll wird entweder in der Umwelt abgeladen und verschmutzt Meere und viele andere Gewässer oder verbrannt, wodurch giftige Abgase in die Umwelt gelangen. Dieser Umgang mit Plastikmüll ist der Tatsache geschuldet, dass die Produktion neuer Verpackungen oft sehr viel günstiger ist, als Recycling. Hinzu kommt, dass Kunststoffe nur unter bestimmten Voraussetzungen recycelt werden können.
Laut NABU werden nur etwas mehr als die Hälfte der in Deutschland anfallenden Abfälle durch Kunststoffverpackungen recycelt. Darüber hinaus haben sich Kunststoffverpackungen und -abfälle in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Zudem dürfen Abfälle, laut dem Bundesministerium für Umwelt, nur zum Recycling und nur an Empfänger, die europäische Standards für die Verwertung einhalten exportiert werden, aufgrund der Globalisierung des Kunststoffabfallmarktes sei Betrug allerdings leider nicht ausgeschlossen. Genaue Statistiken zum Umfang der Exporte liegen demnach nicht vor.
Daher fordern wir:
- finanzielle Förderung für Unverpackt-Läden insbesondere auch in Bremen-Nord
- Vermeidung übergroßer Plastikverpackungen
Reparatur-Cafés etablieren
Reparatur-Cafés, stelle eine gute und zugleich niedrigschwellige Möglichkeit dar, um kaputte Gegenstände reparieren zu lassen. Das schont für viele nicht nur den Geldbeutel, sondern gleichzeitig auch die Umwelt. In Bremen gibt es bereits zwölf Reparatur-Cafés, allerdings befinden diese sich meistens in gutbürgerlichen Stadtteilen. Wir wollen diese Angebote in Stadtteilen wie Gröpelingen, Tenever oder der Neuen Vahr ausbauen, da dort meist Menschen mit niedrigen Einkommen und einer schlechten sozialen Integration wohnen.
Gerade für diese Menschen bieten Reparatur-Cafés die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Integration und ermöglicht es ihnen niedrigschwellig einen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten. Dadurch kann das Einkommen von Menschen geschont werden, die generell nur über einen niedrigen sozioökonomischen Status verfügen. Deshalb sollen in sozial benachteiligten Vierteln von der Stadt Bremen weitere Reparatur-Cafés entstehen, welche von der Bremer Abfallwirtschaft betreut werden und interkulturell konzeptioniert sind. Dies kann ergänzt werden durch Reparaturgutscheine: Alle Bürger*innen sollen Anspruch auf einen Gutschein von 100€ im Jahr haben, mit dem sie Reparaturleistungen bezahlen können.
Urban Gardening in ganz Bremen
Weiterhin bieten Stadtgärten oder Bürger*innen-Gärten die Chance benachteiligte Quartiere wieder zu beleben und die Solidargemeinschaft im Quartier zu fördern. Ein gutes Beispiel ist dafür die interkulturelle Gartengemeinschaft in Tenever. Darüber hinaus können in diesen Gärten regionales Gemüse angebaut werden und den Anwohner*innen im Quartier niedrigschwellig zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich könnten die Gemüse- oder Obst-Erträge langfristig öffentlichen Einrichtungen wie Kitas, Schulen und Weiteren zur Verfügung gestellt werden, um in ihren Kantinen regionale Lebensmittel anbieten zu können. Deshalb sollte bei Bremens zukünftiger Quartiersarbeit sowohl die Einrichtung als auch der Erhalt von Bürger*innen-Gärten mit geplant werden.
Unser Ziel ist nicht der grüne Kapitalismus
Die von uns formulierten Ansätze können die Grundlage dafür bilden, knappe Ressourcen besser zu nutzen und CO2-Emissionen zu verringern. Weitere Maßnahmen sind erforderlich, jetzt müssen erst einmal nötigen die ersten Schritte getan werden. Unser Ziel ist aber nicht ein “grüner Kapitalismus”, der weiterhin von privaten Profitinteressen und dem Zwang zur Gewinnmaximierung gesteuert wird. Tiefgreifende gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen bleiben weiterhin notwendig – auch in einer Kreislaufwirtschaft.